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- Erstellt: 11. Februar 2018
Der Soundtrack des Lebens
Laune-machende Revue aus der Zeitgeschichte: Stadtorchester Roth bringt die unvergesslichen Songs der 70er, 80er und 90er auf die Bühne
Es waren turbulente Jahrzehnte für Deutschland, Europa und die Welt. Und sie waren voll mit Musik, die für die Generation 40 plus bis heute zum gern beschworenen „Soundtrack des Lebens“ zählt. Unter dem Titel „The Stairways to Heaven“ lässt das Stadtorchester Roth in der Kulturfabrik jene unsterblichen Songs als Laune machende Zeitgeschichts-Revue wieder auferstehen: mehr als eine Schlagerparade.
ROTH — Alle zwei Jahre lässt das motivierte Blasorchester unter Walter Greschl lustvoll die Musical-Sau heraus; Schlosshofspieler Frank Harzbecker hat sich inzwischen als Stammregisseur der ambitionierten Truppe etabliert. Nach 40er-Jahre-Swing à la Glenn Miller und Flower-Power-Pop aus den „Roaring Sixties“ sind in „The Stairways to Heaven“ jene Jahrzehnte dran, die das heutige Gesicht der Bundesrepublik entscheidend prägten: die 1970er, 80er und 90er.
Was dem durchformatierten Dudelradio schon lange recht ist, sollte den Rother Musical-Aktivisten, die auch dieses Mal im Auftrag des Lionsclubs Roth-Hilpoltstein für einen guten Zweck spielen, billig sein. Diese Revue ist freilich auch ein Epochenspiegel mit mal witzigen, mal nachdenklichen Spielszenen – aber in erster Linie bietet sie Hits, Hits, Hits.
Songs aus über drei Jahrzehnten, die das groß besetzte Stadtorchester unter der wie immer locker-souveränen Stabführung von Walter Greschl mit erstaunlich viel Fingerspitzengefühl und noch mehr Drive über die Rampe bringt. Gerade so, als habe man einem Supertanker die Wendigkeit eines Schnellbootes anerzogen, ohne ihm die schiere Masse, im Falle des Stadtorchesters also das druckvolle Volumen, zu nehmen.
Da gibt es Klassiker wie den Deep-Purple-Fetzer „Smoke On The Water“ (der genau genommen noch in die 60er gehört) ebenso in neuen Arrangements zu hören wie den sanft weihnachtlichen Schmuse-Schleicher „Eternal Flame“ von den Bangles oder den Soul-Kracher „Fantasy“ von Earth, Wind & Fire. Ohrwürmer, die von den Älteren textsicher mitgesungen werden.
Die Spielhandlung muss die Zeit- und Raumsprünge des nicht immer chronologisch erzählten historischen Bilderbogens abfedern: Christina Polte als etwas schräger aber stimmgewaltiger Schutzengel Summer wird vom ziemlich abgerockten Erzengel Gabriel (knorrig und immer präsent: Frank Maile) auf die Erde geschickt, um auf fünf junge Leute aufzupassen: den jungen DDR-Bürger Mattes (konturiert: Peter Thoma), seine West-Freundin Sabine (resolut: Christina Schmalzl), die ehrgeizige Bankerin Michaela (Veronika Thoma) und ihren kiffenden Lebensgefährten Heiner (kantiger Charakter: Andreas Scharrer), der von einer Rockstar-Karriere träumt sowie der sensible Thomas (mit Feinsinn: Lukas Jubel), der Deutschland verlässt, weil er es nicht wagt, sein Schwulsein in der auch gesellschaftlich eisigen Zeit des Kalten Krieges zu offenbaren.
Protagonisten, an deren Lebenslinien entlang Frank Harzbecker die wohl wichtigste Epoche der Menschheitsgeschichte nacherzählt. Harzbecker hat die Vorlage von Kistner/Biermeier/ Middlebrock zwar spürbar entschlackt, dennoch wirkt das Kaleidoskop eine Spur zu bunt, weil einfach zu viel hineingepackt wurde. Wenn es um die Fußball-WM 1974 und den Mauerfall 1989 geht, wenn der Zuschauer ins Garagen-Labor von Steve Jobs (seriöser Selfmade-Man: Joshua Wenger) schauen und mit Familie Liebscher Spreewald-Gurken naschen darf, dann nicken jene, die diese Jahre miterlebt haben, beifällig, während die Generation der später Geborenen etwas irritiert schaut.
Gleichwohl halten sich die Irritationen in Grenzen, zumal Harzbecker auf hohes Tempo setzt und dabei auf eine Darsteller- und Sängerriege setzen kann, die diese Geschwindigkeit auch mitzugehen in der Lage ist.
Für das Sahnehäubchen der Inszenierung sorgt die Tanzschule Bogner mit einem jungen Ensemble und sehenswerten Choreografien. Wenn das Orchester „It’s Raining Men“ von den Weather Girls anstimmt und die Tänzer dazu einen Wirbelsturm aus Regenschirmen entfachen, kommt Profi-Musical-Feeling auf.
Text: Hans von Draminski, Roth-Hilpoltsteiner Volkszeitung, 10.02.2018, Seite 33
Fotos: Karlheinz Pfahler